Frankfurt am Main (ots) –

Die Dr. Marschner Stiftung vergibt für das Jahr 2021 einmal mehr ihren Preis „Ausgezeichnet Ausgestellt“ für eine herausragend kuratierte Ausstellung in Frankfurt am Main oder Offenbach. Insbesondere für die durch ein weiteres Jahr von COVID-19 geprägte und dadurch stark eingeschränkte Kunstszene hält die Dr. Marschner Stiftung die Vergabe des mit 25.000 Euro dotierten Preises für besonders wichtig und notwendig. Sieger für das Jahr 2021 ist die Ausstellung „Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“ der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Nach dem Urteil der Jury ist es der Kuratorin der Ausstellung Dr. Martina Weinhart am überzeugendsten und konsequentesten gelungen, die Prämissen des Dr. Marschner Ausstellungspreises „Ausgezeichnet Ausgestellt“ umzusetzen.

Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, übergab am Mittwoch, den 6. April 2022 den Preis Herrn Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, und der Kuratorin der Ausstellung, Dr. Martina Weinhart. Die Verleihung fand – unter Einhaltung der offiziellen Hygiene- und Schutzmaßnahmen – in den Räumen der Schirn statt.

Stiftungsvorstand Peter Gatzemeier: „Im Jahr 2021 wurden bemerkenswerte und exzellente Ausstellungen verwirklicht. Die Shortlist des Dr. Marschner-Ausstellungspreises spiegelt dies wider. Natürlich war es in dieser durch die weiterhin von der Pandemie geprägten Lage äußerst schwer bis oft unmöglich, Ausstellungen einem breiten Publikum zu präsentieren und zu vermitteln. Doch die kuratorische Leistung und das Engagement, von denen diese Vorhaben geprägt sind, waren weiterhin auf allerhöchstem Niveau. Deshalb freut sich die Dr. Marschner Stiftung umso mehr, durch die Vergabe von ‚Ausgezeichnet Ausgestellt‘ 2021 den Fokus auf ein von der Jury als herausragend gekennzeichnetes Projekt zu legen und den Preis an die Schirn Kunsthalle Frankfurt vergeben zu können. Ein Haus, das durch seine hervorragenden Ausstellungen, sowohl der Gegenwartskunst, als auch der Kunst der Moderne, ein Publikumsmagnet weit über die Grenzen Frankfurts hinaus ist und ein wertvoller Teil für die Reputation der Kunstszene unserer Stadt darstellt.“

Dr. Andrea Haller, Mitglied der Jury, erläutert: „Wir als Jury waren von der kuratorischen Leistung der Ausstellung ‚Magnetic North‘ in mehrerer Hinsicht überzeugt. In der beeindruckenden Präsentation wurde die Malerei der Group of Seven mit einem aktuellen Blick auch kulturhistorisch eingeordnet und mit gegenwärtigen (post-)kolonialen Debatten um die First Nations verknüpft. Diese kritische Revision der künstlerischen Intention der Group of Seven, eine nationale genuin kanadische Kunst zu schaffen, gelang vor allen Dingen durch die Einbindung der Gemälde in einen Medienverbund von historischen Filmmaterialien, Videoarbeiten, Dokumentarfilmen, wie der der Anishinaabe-Filmemacherin Lisa Jackson, die als veritable audiovisuelle Exponate nicht nur, wie so oft, als pure Illustration und Kontextmaterialien dienten, sondern als gleichwertige Ausstellungsstücke behandelt wurden. Hinzu kommt – insbesondere für das europäische Publikum – eine ‚Neuentdeckung‘ hierzulande weitestgehend unbekannter Künstler, die nicht nur ein breites Publikum, sondern ebenso das Fachpublikum mit ihren Arbeiten überzeugten.“

Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: „Die Ausstellung ‚Magnetic North‘ war das Ergebnis einer besonderen internationalen Partnerschaft dreier großer Kulturinstitutionen. In Zusammenarbeit mit den bedeutendsten Kunstmuseen Kanadas gelang es Kuratorin Dr. Martina Weinhart, diese einmalige Schau in der Schirn zu realisieren. ‚Magnetic North‘ versammelte erstmals in Deutschland die Ikonen der kanadischen Moderne und präsentierte sie zusammen mit zeitgenössischen Indigenen Positionen in einem klugen und kritischen Konzept. Der Ausstellungspreis der Dr. Marschner Stiftung ‚Ausgezeichnet Ausgestellt‘ ist ein besonderes Zeichen der Würdigung dieser kuratorischen Leistung und unterstreicht die Bedeutung der Schirn als Haus, das seine Besucherinnen und Besucher immer wieder durch ein innovatives, internationales Programm sowie eine zeitgenössische Perspektive auf die Kunst der Moderne begeistert. Für diese besondere Anerkennung danke ich der Dr. Marschner Stiftung sowie der Jury im Namen des gesamten Teams der Schirn.“

Dr. Martina Weinhart, Kuratorin der Ausstellung: „Die Künstlerinnen und Künstler aus dem Umfeld der Group of Seven schufen mit der Idee einer genuin kanadischen Kunst ein neues Künstlerbild und malerisches Vokabular, das für die weitere Entwicklung der kanadischen Malerei wegweisend war. So beeindruckend und verführerisch diese Landschaftsdarstellungen der Kanadischen Moderne sind, so sehr fehlt ihnen das Bewusstsein für den kolonialen Blick, der ihnen eingeschrieben ist. Die künstlerische Suche nach einer visuellen Repräsentation Kanadas schloss die First Nations aus. Ziel der Ausstellung ‚Magnetic North‘ war es, dieses Wechselverhältnis zu beleuchten, indem sie zeitgenössische filmische Arbeiten ins Zentrum stellte, die diesen Prozess kritisch befragen und eine aktuelle Perspektive geben. Dass die Ausstellung nun mit dem Preis der Dr. Marschner Stiftung ausgezeichnet wird, erfüllt mich mit großer Freude und ich bedanke mich für die Auszeichnung.“

Die Shortlist

„KATASTROPHE. Was kommt nach dem Ende?“, 13. Juli 2021 – 22. Mai 2022, DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, kuratiert von Stefanie Plappert

„Kunsthandwerk ist Kaktus. Die Sammlung von 1945 bis heute“, 6. November 2021 – 27. März 2022, Museum Angewandte Kunst, kuratiert von Dr. Sabine Runde

„crip time!“, 18. September 2021 – 30. Januar 2022, Museum für Moderne Kunst, kuratiert von Prof. Susanne Pfeffer

„Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“, 5. Februar – 29. August 2021, Schirn Kunsthalle Frankfurt, kuratiert von Dr. Martina Weinhart

„Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten“, 1. April 2021 – 28. August 2022, Weltkulturenmuseum, kuratiert von Matthias Claudius Hofmann

Die Jury

UIrike Berendson, Geschäftsführerin Deutsches Institut für Stadtbaukunst Frankfurt

Dr. Sandra Danicke, Kunsthistorikerin, Leiterin des Feuilletons der Frankfurter Rundschau

Dr. Andrea Haller, Kuratorin und Projektkoordinatorin, Goethe Universität

Simone Krämer, Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin, Referentin, Dr. Marschner Stiftung

Dr. Claudia Orben-Mäckler, Kunsthistorikerin, Vorsitzende Städelschule Portikus e.V.

Der Preis

Der Dr. Marschner-Ausstellungspreis richtet sich an alle Institutionen gemeinnütziger und öffentlicher Trägerschaften in Frankfurt am Main und Offenbach und wird jährlich verliehen. Mit dem Preis „Ausgezeichnet Ausgestellt“, der mit 25.000 Euro dotiert ist, prämiert die Dr. Marschner Stiftung ein herausragendes Ausstellungsprojekt und die damit verbundene kuratorische Leistung. Das Preisgeld ist institutions-, nicht projektgebunden. Die Jury erstellt eine Shortlist, aus der im folgenden Frühjahr dann der Preisträger verkündet wird. Kulturelle Einrichtungen, Kuratoren und Künstler werden durch den Dr. Marschner-Ausstellungspreis ermutigt, die kreative Verbindung von Konzeption und Rezeption in den Fokus zu stellen. Hierbei sind die Qualität der Exponate im Hinblick auf die thematische Ausarbeitung der Ausstellung, das ganzheitliche Vermittlungskonzept unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse des einzelnen Besuchers, das Gesamtgefüge und der Gesamteindruck des Projektes, sowie der Aspekt der Nachhaltigkeit Inhalt der Preisvergabe.

Die Stiftung

Die Dr. Marschner Stiftung zählt zu den größeren Frankfurter Stiftungen. Sie begleitet finanziell sowohl kleinere Projekte, als auch ebenso wirkungsvoll große und ambitionierte Vorhaben aus den Bereichen Kultur, Soziales und Wissenschaft. Die Mittel werden dabei ausschließlich regional, dadurch aber besonders kraftvoll und gezielt für die Menschen in Frankfurt am Main und Offenbach eingesetzt. Zurück geht die Stiftung auf Dr. Jürgen Marschner, Hauptgesellschafter des ehemaligen Frankfurter Kaufhauses M. Schneider. Mit dem Fokus auf mildtätige, kulturelle und wissenschaftliche Zwecke, fügt sich der Stiftungsgedanke des Unternehmers in die jahrhundertealte Tradition des bürgerlichen Engagements der Stadt Frankfurt ein.

www.marschner-stiftung.de

„Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“, 5. Februar – 29. August 2021, Schirn Kunsthalle Frankfurt

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentierte in der Ausstellung „Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“ die Malerei der kanadischen Moderne aus aktueller Perspektive. Die umfassende Präsentation beleuchtete mit rund 90 Gemälden und Skizzen sowie Videoarbeiten und dokumentarischem Material die in Kanada überaus populären Werke der Künstlerinnen und Künstler rund um die sogenannte Group of Seven aus Toronto. Erstmals in Deutschland waren Hauptwerke aus den großen Sammlungen Kanadas zu sehen, darunter Mt. Lefroy (1930) von Lawren Harris, Terre Sauvage (1913) von A. Y. Jackson oder The West Wind (Winter 1916/17) von Tom Thomson. Dabei unterzog die Ausstellung die Malerei der kanadischen Moderne durch eine Integration Indigener Perspektiven einer kritischen Revision. Komplexe filmische Narrative etwa der Algonquin-französischen Künstlerin Caroline Monnet oder der Anishinaabe-Filmemacherin Lisa Jackson eröffneten eine Gegenerzählung, die Fragen der nationalen Identitätsbildung aufwirft und einen bewussten Umgang mit der Bildpolitik der Landschaft einfordert.

Uralte Wälder in entlegenen Regionen, majestätische Ansichten der Arktis, die Magie der Nordlichter: Die Malerei der kanadischen Moderne entwirft ein mythisches Kanada. Voller bildnerischer Experimentierfreude reisten Anfang des 20. Jahrhunderts Künstlerinnen und Künstler wie Franklin Carmichael, Emily Carr, J. E. H. MacDonald, Lawren S. Harris, Edwin Holgate, Arthur Lismer, Tom Thomson oder F. H. Varley aus den Städten tief hinein in die Natur, auf der Suche nach einem neuen malerischen Vokabular für die kulturelle Identität der jungen Nation. Von etwa 1910 bis in die späten 1930-Jahre malte die Group of Seven Landschaftsbilder, die für viele bis heute den Inbegriff Kanadas darstellen. Das erst 1867 zu einem mehr oder weniger unabhängigen Staat gewordene Land gründet auf einer langen Kolonialgeschichte. Bevor die ersten Siedler aus Europa kamen, war es bereits über Jahrtausende das Territorium Indigener Völker. Mit Bildern von erhabenen Gebirgen und einer unversehrten Natur schuf die Group of Seven die romantische Vision eines vorindustriellen Rückzugsortes und stilisierte das Land zur terra nullius, einer vermeintlich unbewohnten Wildnis. Ihre Werke zeichnen eine überwältigende Landschaft jenseits der Realität der Indigenen Bevölkerung und des modernen Stadtlebens sowie der expandierenden industriellen Nutzung der Natur.

Die Ausstellung „Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“ der Schirn Kunsthalle Frankfurt entstand in Zusammenarbeit mit der Art Gallery of Ontario und der National Gallery of Canada.

Kuratorinnen: Dr. Martina Weinhart, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Georgiana Uhlyarik, Art Gallery of Ontario, Toronto

www.schirn.de

Pressekontakt:
Simone Krämer, Presse Dr. Marschner Stiftung, 0177-3145940, [email protected]
Original-Content von: Dr. Marschner Stiftung, übermittelt durch news aktuell
Quelle: ots